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09/24

Web3 trifft auf KI auf der 9. Blockch[AI]n@HTW Conference

Q&A mit Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger, Izzat-Begum Rajan und Marleen Krüger.

Wie können aufkommende Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain sowohl einzeln als auch gemeinsam die Bereiche Handel, Technologie, Nachhaltigkeit und Menschenrechte verändern, gestalten und formen? Um Antworten auf diese wichtigen Fragen zu finden und eine Plattform für den Austausch zwischen Experten aus beiden innovativen Technologiebereichen zu bieten, veranstaltete die HTW Berlin im Sommer 2024 die 9. Blockch[AI]n@HTW Conference. Wir haben mit der Mitveranstalterin Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger (Professorin an der HTW Berlin) sowie den Referentinnen Izzat-Begum Rajan (Managing Partner Imani Partners) und Marleen Krüger (Partnerin WilmerHale) gesprochen, um mehr über die Konferenz, die Überschneidung von KI und Blockchain sowie die Auswirkungen des EU AI Act auf das web3- und KI-Ökosystem zu erfahren.

Was macht die Blockch[AI]n@HTW Konferenz so besonders und was war Ihr persönliches Highlight?

Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger: Die Idee einer Blockch[AI]n@HTW Conference ist daraus entstanden, dass ich die in den Vorlesungen erarbeiteten Lösungen in Zusammenarbeit mit den Studierenden und die verschiedenen Facetten unserer Use Cases einem breiteren Publikum vorstellen wollte. Ich möchte nach wie vor, dass wir uns nicht nur mit der Blockchain-Community auseinandersetzen, sondern auch Interessierte von außerhalb einbeziehen und in den Dialog treten. Das ist nun schon zum neunten Mal hervorragend gelungen und die Mischung aus Teilnehmern mit unterschiedlichen Hintergründen und Fachkenntnissen macht für mich den Reiz dieses Konferenzformats aus. Das Besondere für mich als Initiatorin und Gastgeberin der Blockchain@HTW-Konferenz ist auch, dass wir jedes Jahr großartige Referenten aus der ganzen Welt haben. 

Mein persönliches Highlight der diesjährigen 9. Blockch[AI]n@HTW Konferenz ist nicht ein einzelner Vortrag, sondern die große Interdisziplinarität und das Interesse aller Teilnehmer an dem Wissen jedes Einzelnen. Dieser gegenseitige Respekt und die Freude an den Diskussionen haben mich wieder einmal begeistert.

Izzat-Begum Rajan: Das erste, was die Konferenz so besonders gemacht hat, ist, dass ich in eine meiner Lieblingsstädte in Europa, Berlin, zurückkehren konnte. Zweitens ist es natürlich die fantastische Schar von Experten, sowohl in den Panels als auch bei den Teilnehmern, die Prof. Krüger an einem Ort für zwei Tage mit anregenden Gesprächen, tollen Ideen, die detailliert aufgeschlüsselt wurden, und natürlich neuen Konzepten, die in den intimeren Workshops entwickelt wurden, zusammenbringen konnte. 

Marleen Krüger: Die Blockch[AI]n@HTW Konferenzreihe ist das, was alle Konferenzen sein sollten, aber nur wenige sind: ein Forum, um neue Ideen auszutauschen und ernsthafte Themen in einer Gruppe von Experten mit sehr unterschiedlichem Hintergrund zu diskutieren. Das absolute Highlight der 9. Ausgabe war für mich, mit verschiedenen Experten aus den Bereichen Technologie, Recht und Steuern über die Chancen und Herausforderungen zu diskutieren, die mit dem Einsatz von KI im Rahmen der Streitbeilegung verbunden sind. Vor allem habe ich an einem Workshop teilgenommen, der sich mit der Frage beschäftigte, wie KI den Zugang zur Justiz in kleinen Staaten verbessern kann. Die Diskussionen während dieses Workshops waren ein echter Gedankenaustausch und haben weitere Initiativen der Teilnehmer ausgelöst.

Was ist Ihrer Meinung nach die Verbindung zwischen Web3 und KI?

Izzat-Begum Rajan: Wenn man eine Analogie herstellen sollte, dann denke ich, dass Web3 die sogenannte "Pipe" (wrapper) ist und KI (oder eine Form davon, da es sie in vielen Formen und Farben gibt) eines der Add-Ons, die man verwenden kann, um einige der unglaublich nützlichen Funktionen von Web3 zu verbessern. Betrachten Sie Web3 so, als wäre es das schnellste deutsche Auto, das je gebaut wurde - der Gumpert Apollo - mit einem Menschen am Steuer oder mit einer KI, die das Auto zusammen mit dem Menschen steuert.

Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger: Meiner Meinung nach lohnt es sich, zunächst die Definitionen der beiden Begriffe näher zu betrachten. Grob gesagt ist Web3 eine verbesserte Version des bestehenden Internets, das wir alle kennen und nutzen. Die Verbesserung besteht darin, dass dezentrale Strukturen die Dominanz großer Technologiekonzerne wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook), Tencent, Alibaba, Bytedance etc. brechen und ein egalitäres Internet schaffen, in dem Nutzer, die auch Daten generieren, für die Generierung der Daten belohnt werden. Daten sind in diesem Zusammenhang z.B. unser Surfverhalten im Internet, aus dem Unternehmen gezielte Nutzerprofile erstellen und uns Angebote auf Basis unseres Nutzerverhaltens machen, etc. Datenschutz und Datensicherheit werden über die Blockchain-Technologie oder die Distributed-Ledger-Technologie gewährleistet. Nutzerinnen und Nutzer werden so zu Mitanbieterinnen und Mitanbietern von Daten. 

Und genau diese Daten braucht die künstliche Intelligenz, um trainiert zu werden. Auch hier lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Definitionen zu werfen: Künstliche Intelligenz (KI), die unsere menschliche Intelligenz in ihrer ganzen Komplexität nachbilden kann, gibt es (noch) nicht. Allerdings sehen wir derzeit eine Fülle von fantastischen neuen Werkzeugen, die diese neue Welt auf der Grundlage von maschinellem Lernen und Deep Learning erschaffen. Um all dies zu realisieren, z. B. ChatGPT, das Nachrichten für uns schreibt, Lieder komponiert usw., brauchen wir spezielle Hard- und Software. Spezielle Hard- und Software wird benötigt, um die in einem KI-System verwendeten Algorithmen zu trainieren. Woher kommen all diese Trainingsdaten? Manche mögen sagen, aus dem Internet - das stimmt, aber wir alle sind es, die diese Daten dem heutigen Internet „geben“. Und hier sieht man, wie sehr die „künstliche Intelligenz“ unsere Informationen braucht, die Sie und ich jederzeit als Spuren im Internet hinterlassen. Es ist also eine sehr spannende Symbiose, wenn Web3 und KI zum Nutzen beider Technologien und vor allem zum Nutzen von uns Nutzern miteinander verknüpft werden.

Wir sehen die Verbindung jetzt deutlich, aber wie können sich diese Technologien wirklich gegenseitig verstärken?

Marleen Krüger: Die Synergieeffekte zwischen den beiden Technologien werden sich gegenseitig massiv verstärken. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird darin bestehen, beide zu sicheren und zuverlässigen Werkzeugen für den täglichen Gebrauch durch Verbraucher, Unternehmen und staatliche Akteure zu entwickeln. Vor allem wenn beide zur Streitbeilegung eingesetzt werden sollen, muss noch mehr getan werden, um alle Beteiligten über die Verwendung und die Gefahren dieser Instrumente aufzuklären.

Izzat-Begum Rajan: Web3 ist ein großartiges Werkzeug, um sichere Datenbanken aufzubauen, und KI kann ein Abfragewerkzeug sein, um zum Beispiel die relevantesten Ergebnisse zu generieren. Web3 könnte KI dabei helfen, ihre Vertrauensprobleme zu lösen, und KI könnte dabei helfen, die Herausforderungen der Masseneinführung von Web3 zu überwinden. Das transformative Potenzial der Überschneidung von KI und Web3 kann zu Ergebnissen führen, die größer sind als ihre individuellen Auswirkungen. KI und Web3 könnten Unternehmen näher an die Superfluidität heranführen, betriebliche Reibungsverluste verringern und disparate Ideen und Ressourcen miteinander verbinden, um das Wachstum voranzutreiben. 

Was sind mögliche Anwendungsfälle an der Schnittstelle von KI und web3?

Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger: KI ist mehr als „nur“ ein Werkzeug zur Automatisierung oder Datenanalyse. KI kann zunächst der Blockchain-Technologie im Backend helfen, ihre Vorteile „auszuspielen“. 

Ein Vorteil ist die Dezentralisierung: KI benötigt heute spezielle „Graphical Processing Units“ (GPUs), z.B. von Nvidia, die nicht in dem benötigten Umfang hergestellt werden können. Hier könnte das dezentrale Blockchain-Netzwerk als eine Art übergeordnete DAO (dezentrale autonome Organisation) fungieren.

Auch in der Finanzbranche zeichnen sich eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten ab, da KI aus vorhandenen Daten/Informationen viel schneller und zuverlässiger Muster extrahieren kann. Denkbare Szenarien sind aus meiner Sicht nicht unbedingt KI-gesteuerte Fonds, sondern eher unterstützende Aufgaben, die KI übernehmen kann. Wenn dies mit Transparenz gepaart wird, könnten beispielsweise AML (Anti-Money Laundering) und KYC (Know your customer) effektiver und effizienter werden.

Darüber hinaus wird der Kampf gegen Fake News immer wieder als gutes Beispiel für die Symbiose von KI und Blockchain-Technologie angeführt. Die Blockchain-Technologie garantiert Transparenz bei der Verifizierung und kann es somit jedem ermöglichen, Nachrichten und deren Herkunft zu überprüfen und zu verifizieren.

Allein an diesen Beispielen können wir bereits erkennen, dass sich neue Synergien ergeben, die wir heute vielleicht noch gar nicht kennen und wie sie sich entwickeln werden.

Wie wird sich der AI Act der EU kurz- und langfristig auf das web3-Ökosystem auswirken?

Marleen Krüger: Der AI Act der EU ist der umfassendste Rechtsakt im Bereich der KI und wird als solcher einen erheblichen Einfluss auf das Ökosystem haben. Aus der Perspektive der Streitbeilegung sieht Anhang III, Artikel 8(a) vor, dass „KI-Systeme, die von einer Justizbehörde oder in deren Auftrag eingesetzt werden sollen, um eine Justizbehörde bei der Erforschung und Auslegung von Tatsachen und Recht und bei der Anwendung des Rechts auf einen konkreten Sachverhalt zu unterstützen, oder die in ähnlicher Weise bei der alternativen Streitbeilegung eingesetzt werden“, als KI-Systeme mit hohem Risiko einzustufen sind. Ähnliches gilt für Erwägungsgrund 61, in dem es heißt: „KI-Systeme, die von alternativen Streitbeilegungsstellen für [die Zwecke der Rechtspflege und der demokratischen Prozesse] eingesetzt werden sollen, sollten ebenfalls als risikoreich angesehen werden, wenn die Ergebnisse der alternativen Streitbeilegungsverfahren Rechtswirkungen für die Parteien entfalten.“  Die Rechtsgemeinschaft wird also gut beraten sein, dem EU-AI-Gesetz große Aufmerksamkeit zu schenken.

Izzat-Begum Rajan: Ein hervorragender Bericht der Europäischen Investitionsbank (EIB) mit dem Titel „Künstliche Intelligenz, Blockchain und die Zukunft Europas“ gibt einen wirklich guten Überblick über die Auswirkungen in den kommenden Jahren, insbesondere auf den grünen und digitalen Wandel, der auf der EU-Agenda für das nächste Jahrzehnt steht. Dazu gehören (und ich zitiere hier Seite 37):

„Die Kombination von KI, Blockchain und IoT kann neue operative und kommerzielle Möglichkeiten eröffnen. Mögliche zukünftige Beispiele für kombinierte Anwendungen sind:
- Einzelhandel: KI kann vorausschauendes Handeln auf der Grundlage von Daten ermöglichen, die von IoT-Geräten gesammelt werden (z. B. bei der Bestellung von Lebensmitteln), während Blockchain die sichere Abwicklung von Transaktionen unterstützen kann; 
- Gesundheitswesen: KI kann die Überwachung medizinischer Daten, die frühzeitige Erkennung von Anomalien und die automatische Planung von Terminen ermöglichen, während Blockchain eine sichere, genaue Krankengeschichte bereitstellen kann; 
- Cybersecurity: KI kann eine schnelle, genaue Datenanalyse, logische Entscheidungen und autonome Aktionen ermöglichen, während Blockchain eine sichere Aufzeichnung potenzieller Beweise speichern kann; und 
- Fertigung: KI kann eine umfassende Fernüberwachung des Zustands und der Leistung von Maschinen auf der ganzen Welt, eine durch maschinelles Lernen unterstützte proaktive Wartung und die Zuweisung des am besten geeigneten Technikers mit Ersatzteilen ermöglichen, während Blockchain einen sicheren Weg für den Einkauf bieten kann.“

In demselben Bericht werden auch mehrere Herausforderungen genannt: die Ausarbeitung eines geeigneten EU-Rechtsrahmens, die Einbettung eines solchen EU-weiten Rechtsrahmens in die nationalen Rechtsvorschriften in der EU (mit Unterschieden zwischen den einzelnen nationalen Rechtsvorschriften bei der Anerkennung dieser Technologien und ihrer Vorteile), die Vorbereitung unserer Zahlungssysteme auf KI und Blockchain und nicht zuletzt die Aufklärung und Einbeziehung der EU-Bürger bei gleichzeitiger Überwindung der digitalen Kluft (in Bezug auf den Zugang zu den Technologien aufgrund von Generationsunterschieden und/oder sozialen und wirtschaftlichen Faktoren).

Wie sind die Berliner KI- und Blockchain-Ökosysteme aufgestellt und wie sollten sie Ihrer Meinung nach in Zukunft miteinander interagieren?

Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger: Berlin ist ein führender Standort für Start-ups aus allen Branchen. Die lebendige Startup- und Tech-Szene wird durch die vielen Talente, die Berlin anzieht, „gefüttert“. Darüber hinaus fördert der Berliner Senat mit dem DeepTech Award die Aktivitäten und Arbeiten junger Unternehmen. Und da ich oben schon auf die Interaktion zwischen den beiden Technologien hingewiesen habe, bin ich fest davon überzeugt, dass sich dies auch in der Berliner Community widerspiegelt. Die nächsten Ideen werden wir sicherlich in den nächsten Jahren sehen können, auch beim DeepTech Award.

Frau Rajan, während sich die Regierungen auf die wachsende Bedeutung digitaler Vermögenswerte im web3 einstellen, wie ist der aktuelle Stand ihrer Besteuerung?

Izzat-Begum Rajan: Zunächst müssen sich die Leser darüber im Klaren sein, dass Steuerexperten einen dreistufigen Denkprozess durchlaufen: 1. Rechtliche Qualifizierung der Vermögensbildung (die Transaktion), 2. buchhalterische Behandlung und 3. Steuerliche Konsequenzen. 

Zweitens besteht die umfassendste und einfachste Taxonomie für digitale Vermögenswerte darin, sie in drei Kategorien zu unterteilen: Zahlungs-Token (Stablecoins, digitale Zentralbankwährungen, andere Zahlungs-Token, auch wenn sie volatil sind, wie Bitcoins, Ether usw.); Sicherheits-Token (die als Finanzinstrumente betrachtet werden) und Nutzwert-Token (typischerweise Governance-Token). Es ist anzumerken, dass tokenisierte reale Vermögenswerte (RWA) zwischen den Kategorien Sicherheitstoken und Utility-Token liegen würden.

Davon abgesehen und wenn wir versuchen, die Frage aus einer globalen Perspektive zu beantworten, kämpfen mehrere Rechtsordnungen darum, den richtigen Weg zum Aufbau eines steuerlichen Rahmens zu finden, die USA zum Beispiel (politische Diskussionen zwischen der SEC und der CFTC, um zu entscheiden, welche Institution alles, was mit Krypto zu tun hat, regeln würde). Mehrere andere Länder haben trotz einiger Lücken in ihren Rechnungslegungsvorschriften bereits einen ersten Regulierungsrahmen und Steuervorschriften geschaffen: Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und auch die Vereinigten Arabischen Emirate. In der Zwischenzeit hat die OECD im Oktober 2022 das Crypto Asset Reporting Framework (CARF) herausgegeben und Änderungen an den Common Reporting Standards (CRS) vorgeschlagen, die seither als globaler Standard angekündigt wurden und zu deren Umsetzung in nationales Recht sich mehrere Länder verpflichtet haben (Erklärung im November 2023). Dieser Standard befasst sich mit der transaktionsbasierten Berichterstattung, die den darin definierten Krypto-Asset-Dienstleistern (CASPs) Offenlegungen auferlegt, und ist der erste Baustein zum Aufbau eines umfassenden Steuerrahmens.

In der Zwischenzeit wurden auf EU-Ebene die Verordnung über Märkte für Krypto-Assets (MiCA) und die Richtlinie DAC8 (Umsetzung der CARF in EU-Recht) verabschiedet (Herbst 2023). Während MiCA die erste Ebene der Regulierung und rechtlichen Qualifizierung von digitalen Vermögenswerten darstellt, führt DAC8 den ersten steuerlichen Melderahmen für Kryptotransaktionen ein.

Die größte Herausforderung besteht darin, dass sich zwar viele EU-Länder zur Umsetzung der CARF verpflichtet haben und auch eine rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung von DAC8 in nationales Recht haben. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede im Geltungsbereich, da DAC8 auch die Kreditvergabe und das Pfandrecht umfasst. Zweitens: Was die Besteuerung in der EU betrifft, so werden zwar die Mechanismen der Mehrwertsteuer (MwSt.) bis zu einem gewissen Grad auf EU-Ebene geregelt (die Festlegung der Steuersätze bleibt in nationaler Zuständigkeit), aber alle anderen Steuern werden von den souveränen Staaten festgelegt. Zwei Beispiele für hochentwickelte Steuervorschriften im geografischen Europa (wenn auch nicht in der EU) können hier genannt werden: das Vereinigte Königreich und die Schweiz. Beide Länder verfügen über umfassende rechtliche Rahmenbedingungen und Steuerregelungen für Kryptotransaktionen.

Frau Krüger, Sie haben auf der Konferenz ausführlich über den Einsatz von KI in der Streitbeilegung gesprochen. Können Sie erläutern, wie sie derzeit eingesetzt wird und was in Zukunft möglich sein könnte - auch in Bezug auf web3-Technologien?

Marleen Krüger: Wie ich auf der Konferenz erläutert habe, gibt es verschiedene juristische Aufgaben, mit denen Anwälte täglich zu tun haben und die das Potenzial haben, durch KI und ähnliche Tools erheblich unterstützt zu werden.

Ein Beispiel ist eine Aufgabe, die oft als Kernaufgabe eines jeden Anwalts angesehen wird: die Vertragsgestaltung. Wenn Sie heute Anwälte für Fusionen und Übernahmen fragen, werden sie Ihnen sagen, dass sie mit einer Vertragsvorlage beginnen, die sie in früheren Fällen verwendet haben, und diese dann an die spezifische Transaktion, die sie vor sich haben, anpassen. Das erfordert viele Stunden, in denen sie Hunderte von Seiten Vertragssprache durchforsten und überlegen, welche Anpassungen für die jeweiligen Umstände vorzunehmen sind.

Sie können sich leicht vorstellen, wie KI-Tools hier zu Effizienzgewinnen führen können. Es gibt bereits KI-Tools auf dem Markt, die behaupten, dass sie Transaktionsanwälten bei der Erstellung von Verträgen helfen und angemessene Formulierungen vorschlagen können. Aber natürlich hängt die Genauigkeit des Ergebnisses von der Genauigkeit des Inputs ab. Sie können sich eine Welt vorstellen, in der sich die Vertragsverhandlungen in Zukunft hauptsächlich darauf konzentrieren, dass sich beide Seiten darauf einigen, welches KI-Tool sie verwenden wollen, und vor allem darauf, welche Eingaben in das Tool gemacht werden sollen. Dies wird höchstwahrscheinlich viel weniger Arbeitsstunden von weniger Personen erfordern als die Verhandlungsteams, die derzeit an solchen Transaktionen beteiligt sind, so dass mehr Transaktionen für weniger Geld abgewickelt werden können.  

Man könnte sich auch vorstellen, dass KI im Zusammenhang mit dem Fallmanagement hilfreich ist. Bei jedem Fall gibt es eine ganze Reihe von verfahrenstechnischen und logistischen Fragen, die nicht unbedingt kompliziert sind - obwohl sie es sein können -, aber für die Beilegung des Streits zwischen den Parteien von entscheidender Bedeutung sind.  Bei vielen dieser Fragen kann die KI helfen: KI könnte zum Beispiel Transkriptionen von Sitzungen und Anhörungen liefern - etwas, wofür wir derzeit noch sehr teure Gerichtsreporter und Stenografen bezahlen, die eine Abschrift manuell erstellen.  KI-Tools könnten auch entwickelt werden, um Verfahrensvereinbarungen zwischen den Parteien oder zwischen den Parteien und dem Gericht in eine Verfahrensanordnung umzuwandeln - auch das ist etwas, was wir derzeit noch manuell machen.  Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die zuständigen Anwälte die erstellten Entwürfe überprüfen - aber auch das dürfte schneller und einfacher sein, als sie von Grund auf neu zu erstellen.

Und dann ist da noch die Frage, ob KI-Tools in der Lage sein werden, selbst materielle Entscheidungen über Streitigkeiten der Parteien zu treffen. 

Die derzeit vorherrschende Meinung ist, dass sie in den meisten Fällen keine solchen Entscheidungen treffen sollten.  Es mag begrenzte Ausnahmen geben, aber im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass materielle Entscheidungen ausschließlich von Menschen und nicht von KI-Tools getroffen werden können.  Diese Ansicht kommt beispielsweise in den 2024 vom Silicon Valley Arbitration & Mediation Center herausgegebenen Leitlinien für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Schiedsgerichtsbarkeit zum Ausdruck.

Frau Dr. Krüger, Sie haben in Ihrem Panel gesagt, dass KI und Blockchain wie füreinander geschaffen sind. Können Sie die zukünftigen Potenziale näher erläutern? Was würden Sie gerne bis 2030 erreicht sehen?

Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger: Erstens braucht die KI die Blockchain-Technologie, um den wichtigen Fortschritt nicht auf Kosten der Bürgerrechte und der Privatsphäre der Nutzer zu ermöglichen. Ich glaube fest daran, dass diese beiden Spitzentechnologien perfekt ineinander übergehen werden.
Zweitens würde ich mir wünschen, dass die Blockchain-Technologie auch in der breiten Masse nicht mehr ausschließlich als Kryptowährung kategorisiert wird. Die Technologie bietet weit mehr.

Der Einsatz neuer Technologien wird durch den Bedarf an höherer Effizienz und besserem Prozessmanagement zur Steigerung der Produktivität angetrieben. KI wird eingesetzt, um Prozesse zu automatisieren und Routineaufgaben effizienter als Menschen auszuführen, während die Blockchain-Technologie Sicherheit und Datenschutz für die erfassten Daten bietet. Auf dieser Grundlage werden sich neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben - sei es im Finanz- und Bankensektor, im globalen Lieferkettenmanagement, in der Kreislaufwirtschaft, im Gesundheitswesen, in der Landwirtschaft usw. (diese Liste ist nicht abschließend). Und das wird bis 2030 oder sogar noch früher der Fall sein.

 

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