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05/22

Blockchain in der Berliner Forschungslandschaft

Die Berliner Hochschullandschaft gehört zu den innovativsten Wissenschaftsregionen in Europa.

Seminarraum mit Studierenden und Professoren, der vorne steht

Die Berliner Hochschullandschaft gehört zu den innovativsten Wissenschaftsregionen in Europa. Über 200.000 Studierende aus der ganzen Welt studieren und forschen an den vielzähligen Universitäten und staatlich anerkannten Hochschulen. Die „Wissensstadt“ Berlin bietet daher optimale Bedingungen, um vor Ort an neuen, fortschrittlichen Technologien zu forschen und sich mit Akteur:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft weltweit zu vernetzen. 

Die ohnehin in der Berlin Startup-Szene stark vorangetriebene Blockchain-Technologie nimmt in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung in der Hochschulforschung ein. Sie bietet enormes Potential für kooperative Forschungsprojekte, spannende Lehrangebote und innovative Think Tanks. Aus diesem Anlass haben wir mit ausgewählten Hochschulen wie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin), der Digital Business University of Applied Science (DBUAS) und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) gesprochen, um herauszufinden, wo genau die Blockchain-Technologie in der Wissenschaft Anwendung findet und wie das Forschungsfeld praxisnah in die Studiengänge integriert wird. 

 

Institut für Angewandte Blockchain (IABC) 

So gilt beispielsweise das Institut für Angewandte Blockchain (IABC) als Aus- und Weiterbildungszentrum rund um Technologie-Lösungen und Anwendungsfelder der Blockchain. Neben der Lehre, wie sie Studierenden in dem Wahlpflichtmodul „BlockchainLab@DBU“ vermittelt wird, steht Blockchain auch in der Forschung im Fokus. Christoph Haupenthal, Institutsleiter, führt die Rolle des IABC in der Berliner Forschungslandschaft wie folgt aus:

 

"Dafür bieten wir spezifische Trainings, Weiterbildungsangebote und anwendungsbezogene Forschungsprojekte an.“ Als Forschungsschwerpunkte des Instituts nennt Haupenthal besonders drei Themen: 

  • Track & Trace-Lösungen entlang von Lieferketten 

  • Digitale Identitäten und Zertifikate 

  • Token Economy  

 

Christoph Haupenthal lehrt und gründet außerdem selbst seit 20 Jahren aktiv in der Blockchain-Branche und gilt daher als Experte auf dem Gebiet. Seit 2020 begleitet er den Deep Tech Award als Jurymitglied in der Kategorie Blockchain und bewertet dort Berliner Unternehmen und deren Produkte und Lösungen. Zur Frage, wie sich Haupenthal mit Hilfe des IABC für die Aus- und Weiterbildung zum Thema Blockchain einsetzt, erklärt er:

 

„Wir bieten neben der Lehre für Studierende Vorträge für Unternehmen und Anwender:innen an. Darüber hinaus führen wir auch Workshops zur Entwicklung von Use Cases durch. Wir unterstützen Unternehmen ebenfalls durch die Erstellung von Studien zur Bewertung der Potentiale und Risiken des Einsatzes der Blockchain.“ 

 

Blockchain Research Center (HU Berlin) 

Auf der Suche nach Berliner Hochschulen mit Blockchain-Bezug kommt man auch an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) nicht vorbei. Prof. Wolfgang Härdle lehrt an der HU Berlin und beschäftigt sich mit den Forschungsschwerpunkten angewandte Statistik, Ökonometrie und Quantitative Finanzen. Außerdem ist er Mitgründer des Blockchain Research Centers (BRC). Dieses wurde gemeinsam von der HU Berlin und der Universität Zürich (UZH) gegründet, um den Diskurs zwischen Blockchain-Expert:innen aus Wissenschaft und Industrie zu fördern. Darüber hinaus bietet die HU Berlin selbst auch Studieninhalte wie „Von Bitcoins bis zu IOT – eine Einführung in die digitalen Themen unserer Zeit“ und „Blockchain and cryptocurrency” an, um Blockchain-Anwendungen zu untersuchen und grundsätzliche Kenntnisse auf diesem Gebiet an Studierende zu vermitteln. 

 

Wie wichtig das Entstehen von Kooperationen und internationalen Denkfabriken (Think Tanks) in der Hochschullandschaft ist, weiß Prof. Wolfgang Härdle: „Das BRC ist ein verteiltes Netzwerk von Knotenpunkten, die das Blockchain-Forschungsnetzwerk bilden, das als akademische Partnerschaft zwischen Forscher:innen der UZH und der HU gegründet wurde. Ursprünglich an der HU angesiedelt, bestand die Gründungsidee darin, Forscher:innen weltweit Zugang zu der Fülle von Blockchain-bezogenen Forschungsdaten zu verschaffen und sie den Mitgliedern des BRC zugänglich zu machen.“  

 

Weiter führt er aus: „Unser aktueller Schritt ist es, das BRC in die florierenden Blockchain-Aktivitäten in Bukarest, Rumänien, einzubinden, um von der Forschung und den Vorteilen dieses Inkubators der fortschrittlichsten, aber noch wenig erforschten Technologien in Europa zu profitieren."

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BRC als Think Tank arbeitet, der Expert:innen aus der ganzen Welt zusammenbringt. Wir haben nachgefragt, was Prof. Wolfgang Härdle und das BRC speziell zur Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie beitragen und welche Rolle die Blockchain-Hauptstadt Berlin bei dieser Zusammenarbeit einnimmt? 

„Neben der bereits erwähnten neuen Unterbringung des BRC bei der SBE gibt es viele weitere internationale Wissenschaftszentren und Forschungsknoten des BRC – vor allem die nächsten Mitglieder des Clusters werden die NUS National University Singapore und die Uni Warschau sein. […] Berlin wird in diesem Netzwerk weiterhin eine Schlüsselrolle spielen, da es den grundlegenden Inkubator und die Datenbasis für den laufenden Betrieb liefert. Besonders hervorzuheben ist die transparente Verbindung von Daten mit Algorithmen und Software über Quantlet.com sowie die Verbindung von Forschung und Lehre, im akademischen und professionellen Umfeld, über Quantinar.com. Das BRC bietet uns auch die Chance, dem akademischen Nachwuchs die Möglichkeit zu bieten, an Themen und in einem Umfeld zu arbeiten, das moderne Fragestellungen, wie die Verbindung von Energie- und Umweltfragen, praxisnah aufgreift. Wir bieten also nicht nur eine horizontale, sondern vor allem eine vertikale Integration unserer Forschungsbemühungen.“ 

Abschließend fügt er hinzu: „All dies wäre nicht möglich, wenn wir nicht in der Lage wären, unseren Fahrplan durch die umfangreichen Forschungsnetzwerke im akademischen Bereich und in der Industrie zu unterstützen.“ 

 

Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin 

Ein weiterer Forschungsstandort, der sowohl die Wissensvermittlung als auch die Erforschung der Blockchain-Technologie auf der Agenda hat, ist die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Prof. Dr.-Ing. Katarina Adam forscht und lehrt an der HTW und bietet dort in jedem Semester einen Kurs zu „Business Blockchain Development“ an, der sehr gut von den Studierenden angenommen wird. Ihre Motivation:

 

Dass das Interesse und die Nachfrage an Blockchain-Seminaren im Allgemeinen steigen - dies merkt Prof. Adam auch bei ihren Studierenden: „Die Studierenden hinterfragen die Blockchain-Technologie zunehmend und es gibt mehr Studierende aus anderen Studiengängen, die ihre Abschlussarbeit gerne dem Thema widmen möchten. […] Das sind für mich Zeichen, dass sich etwas tut. Das Bewusstsein für Blockchain sickert jetzt mehr und mehr durch.“ Aufgrund des zunehmenden Interesses soll zeitnah auch ein neuer Studiengang mit Blockchain-Bezug „Cyber Security“ seinen Weg in die Hochschulagenda der HTW finden.  

Neben dem zunehmenden Wissensdurst der Studierenden, steigt auch das Interesse von Unternehmen aus der Wirtschaft an den Ideen und Lösungsansätzen, die im Rahmen der Hochschulkurse geschaffen werden. So gibt es unter anderem auch bereits eine Zusammenarbeit mit SAP und der HTW, weitere Unternehmen folgen. Aber wie genau funktioniert die Zusammenarbeit von Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen in Berlin, Frau Adam?  

 

„Es geht immer darum, dass wir uns gemeinsam die Prozesse anschauen und überlegen, wie diese Prozesse verbessert werden können. Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die Studierenden lernen nicht nur die theoretischen Grundlagen, sondern können sich und ihre Ideen an der Realität, sprich im Austausch mit Unternehmen, testen. Unternehmen hingegen profitieren von den zum Teil ungewöhnlichen Ideen und der unvoreingenommenen Herangehensweise der Studierenden.“ 

 

Es ist also ersichtlich, dass das Angebot von Blockchain-Kursen in Berlin zunehmend wächst und ausgebaut wird. Dennoch hat das Thema Blockchain in den Hochschuleinrichtungen noch keine Priorität. Zur weiteren Integration in das Programm der Hochschule führt Prof. Dr.-Ing. Adam aus: „Es wäre natürlich schön, wenn die Hochschulen eine Ausbildung anbieten könnten, in der vermittelt wird, was […] Blockchain-Technologie heißt, wie […] diese Lösungen dann auch in der Wirtschaft Eingang finden können. Dass die Studierenden lernen, was sie für Wissen dafür benötigen. Das kann derzeit definitiv noch ausgebaut werden.“ 

Prof. Adam, was bedeutet das am Ende für die Hochschullandschaft in Deutschland? „Reine Blockchain-Technologie-Studienangebote sind jedoch selbst im Masterprogrammen rar: Es gibt ca. vier Hochschulen deutschlandweit, die einen Master in der Blockchain-Technologie anbieten. Zum Vergleich: In Berlin gibt es über 70 private und öffentliche Hochschulen. Da ist also noch viel Potential vorhanden, um überhaupt Wissen in diesem Gebiet vermitteln zu können.“ 

 

Eine weitere Problematik, die Prof. Adam diesbezüglich auch auffällt, ist die zunehmende Komplexität der Blockchain-Technologie, die nahezu abschreckend auf Außenstehende wirkt: „Es wird absolutes Expertenwissen aufgebaut, das zu teilen schwer ist, weil weite Teile der Gesellschaft sich noch zu wenig mit den Grundlagen der Technologie auseinandergesetzt haben. Somit entsteht eine Lücke: einerseits diejenigen, die […] die Komplexität begreifen sowie anderseits diejenigen, die genau vor der Komplexität zurückschrecken. Daher brauchen wir also das breite Verständnis für Blockchain-Technologie. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, was diese Technologie eigentlich ist.“ 

 

Da gehöre laut Prof. Adam die HTW zu den „Frontrunnern“, da dort der tatsächliche „Blockchain Business Development Approach“ gelehrt wird. Hier lernen Studierende, herauszufinden, ob eine Blockchain-Lösung benötigt wird. Wenn ja, wie diese aufgesetzt werden muss, welche Anforderungen es gibt und wie die Blockchain letzten Endes eine Optimierung bewirken kann. 

Dass die HTW eine der fördernden Universitäten in der Vermittlung von Blockchain-Wissen ist, beweisen auch vergangene Projekte. So lief von April 2018 bis Dezember 2020 das Forschungsprojekt PABlo unter der Leitung von Prof. Dr. Heike Marita Hölzner, dessen Ziel die wissenschaftliche Potenzialanalyse der Blockchain-Technologie für KMU war. Mit Kooperationspartnern wie der Hochschule für Technik (BHT) oder dem Bitkom e. V. konnte das Projekt von einem großen Netzwerk und Wissenstransfer profitieren. 

Ebenso zeigte die von der Universität veranstaltete Blockchain@HTW Conference im Sommer 2021 wie wichtig es ist, eine digitale Transformation aktiv voranzutreiben und Expert:innen aus Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft zu vernetzen. An diesen Zielen orientiert sich auch die für den 9. September 2022 geplante Fortsetzung der Konferenz.  

 

Zukunftsblick: Verstärkte Kooperationen mit Hochschulen als Innovationstreiber 

Das Blockchain Research Center (HU Berlin), das Institut für angewandte Blockchain (IABC) und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin stehen beispielhaft dafür, wie viele Forschungseinrichtungen in Berlin sich bereits näher mit der Blockchain-Technologie beschäftigen. Dennoch gibt es laut Christoph Haupenthal viel Aufholbedarf in der Berliner Forschungslandschaft für die Zukunft: „Wir wünschen uns eine noch intensivere Vernetzung zwischen Forschung und Wirtschaft, da wir glauben, dass die beste Entwicklung nur gemeinsam passieren kann. Daher wäre es wünschenswert, dass es noch mehr Match-Making und Networking-Events gibt, was ja hoffentlich mit den abnehmenden Corona-Einschränkungen immer leichter möglich werden könnte.“ 

Auch Prof. Dr.-Ing. Adam hat einen Vorsatz für die Zukunft: „Ich würde mir wünschen, dass mehr Unternehmen eine Zusammenarbeit mit den Hochschulen nutzen und somit auch von den Ideen der jungen, motivierten und kreativen Studierenden profitieren. Dieses innovative Denken hilft der Wirtschaft.“ 

 

Weitere Infos findet ihr auf den Websites der Hochschulen und in den gelisteten Links:  

Institut für Angewandte Blockchain (DBUAS), https://dbuas.de/iabc-institut/ 

Blockchain Research Center (HU), https://blockchain-research-center.com/ 

HTW, https://www.htw-berlin.de/ 

Projekt PABlo (HTW), https://www.ifaf-berlin.de/projekte/pablo/#projektdetails und https://www.htw-berlin.de/forschung/online-forschungskatalog/projekte/projekt/?eid=2586 

Blockchain@HTW Conference, https://blockchain.htw-berlin.de/wordpress/

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