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02/23

Regulationen für Krypto & DeFi – Europa & USA im Vergleich

Expert:innen aus Berlin und Miami sprechen über Rahmenbedingungen auf beiden Kontinenten.

Richterhammer © iStock

Im ersten Halbjahr 2022 verkündeten sowohl die USA als auch die Europäische Union erstmals Regulationen im Bereich Kryptowährungen und Decentralized Finance (DeFi) einzuführen. DeFi steht allgemein für einen Sammelbegriff für Finanzdienstleistungen, die über Blockchains angeboten werden). Mit diesen Entwicklungen wird einer Forderung der Branche nachgegangen, die seit geraumer Zeit mehr regulatorische Klarheit fordert. 

„Beide Jurisdiktionen verfolgen ähnliche Ziele des Verbraucherschutzes, der Vermeidung von Finanzstabilitätsrisiken, der Schaffung von Rechtsklarheit, der Förderung verantwortungsbewusster Innovationen und, wenn auch in geringerem Maße, der Stärkung ihrer Finanz- und Geldsysteme“, erklärt Patrick Hansen, Director EU Strategy und Policy Advisor bei Circle. Das globale Finanztechnologieunternehmen ermöglicht Unternehmen jeder Größenordnung die Leistungsfähigkeit digitaler Währungen und öffentlicher Blockchains für Zahlungen, Handel und Finanzanwendungen weltweit zu nutzen. Das seien jedoch die einzigen Parallelen zwischen den Ansätzen in den USA und Europa.   

Von Bauherren & Bremsern  

Tatsächlich handelt es sich beim Regulierungsversprechen in den USA vorerst nur um eine Executive Order, die der US-amerikanische Präsident Joe Biden im März 2022 erlassen hat. Bis auf die sechs politischen Ziele – Verbraucherschutz, finanzielle Stabilität, die Bekämpfung der Verwendung von Krypto für Verbrechen, Wettbewerbsfähigkeit der USA, finanzielle, inklusive und verantwortungsvolle Innovation – ist wenig konkret fixiert. 

„Amerika hat keine umfassende, sinnvolle Gesetzgebung in Bezug auf Krypto verabschiedet“, kritisiert Carly E. Howard, eine auf Fragen des Kryptowährungsgesetzes spezialisierte Anwältin bei der globalen Anwaltskanzlei K&L Gates. „Regierungsbehörden, die normalerweise Industrie-Compliance-Standards festlegen, scheinen in territoriale Streitigkeiten über die Zuständigkeit für Aktivitäten im Bereich digitaler Assets verwickelt zu sein, sodass die Kryptoindustrie sich an den Kongress wendet, um solche Probleme zu lösen. Einige Behörden regulieren durch Durchsetzung (siehe OFAC-Sanktionen gegen Tornado Cash). In der Zwischenzeit schaffen US-Gerichte durch Präzedenzfälle ‚schlechtes Recht durch schlechte Fakten‘ (siehe CFTC gegen Ooki DAO)." 

Einzelne US-Bundesstaaten hätten zwar versucht, staatliche Gesetze mit Richtlinien für Kryptomärkte zu verabschieden: So hat New York City fast das gesamte Crypto-Mining und alle neuen Mining-Operationen verboten, die nicht zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basieren. Dass andere US-Bundesstaaten diesem Beispiel folgen, glaubt Howard jedoch nicht: „Es ist wahrscheinlicher, dass die US-Bundesstaaten den Energieverbrauch des Minings drosseln, indem sie Anreize für gutes Verhalten mit Steueranreizen für die Nutzung von Solarenergie, Emissionsgutschriften und anderen Initiativen für saubere Energie schaffen“, meint sie. Generell sei das Problem, dass „die 50 Bundesstaaten sehr unterschiedliche Kryptogesetze haben und Bundesvorschriften oft das staatliche Recht übertrumpfen, sei es technisch oder praktisch“, weiß die Expertin, die sowohl in Berlin als auch in Miami tätig ist. „Wenn ich Amerika besuche, sehe ich Krypto-Leute, die bremsen und viele Fragen stellen. Wenn ich Europa besuche, sehe ich die Bauherren bauen.“ 

Europa übernimmt Führungsrolle 

„Die EU hat eine umfassende Regulierungsstruktur für digitale Vermögenswerte verabschiedet, während die US-Politiker:innen weiterhin abwägen, wie sie mit der föderalen Regulierung vorankommen“, bestätigt Patrick Hansen, der sich bereits als Bereichsleiter für Blockchain beim deutschen Digitalverband Bitkom mit dem Thema beschäftigt hat.  Zu den wichtigsten neuen Vorschriften zählen, dass Unternehmen, die Kryptowährungen in der EU emittieren und verkaufen wollen, künftig eine Lizenz von einer Aufsichtsbehörde eines EU-Landes benötigen. Diese erlaubt es Firmen, Kund:innen in allen 27 Mitgliedsländern zu bedienen. Die Aufsichtsbehörden der Länder müssen der europäischen Finanzmarktaufsicht ESMA jeden großen Betreiber melden, den sie autorisiert haben. 

Um Krypto-Überweisungen künftig nachverfolgen zu können, müssen Krypto-Plattformen bei der Abwicklung einer Transaktion – egal, welcher Größenordnung – Informationen über Sender:in und Empfänger:in ermitteln. Sollte der Verdacht von Geldwäsche oder Terrorismus bestehen, müssen die Anbieter:innen die gesammelten Daten an die zuständigen Behörden weiterleiten. Diese Regelung betrifft ausschließlich Fälle, in denen Bitcoin, Ether und andere Digitalwährungen in herkömmliches Geld wie Euro oder US-Dollar umgetauscht werden. Direkte Transfers zwischen Inhaber:innen von plattformunabhängigen Krypto-Wallets bleiben außen vor. 

Zudem sollen die EU-Vorschriften Inhaber:innen von Stablecoins in Zukunft berechtigen, ihr Geld kostenlos zurückzufordern. Emittenten müssen ein Mindestniveau an Liquidität vorhalten. Sie werden zudem von der europäischen Bankenbehörde EBA überwacht. Unternehmen, die Stablecoins emittieren wollen, müssen außerdem einen registrierten Firmensitz in der EU haben. Bei Stablecoins, die an nichteuropäische Währungen gekoppelt sind, wird es Beschränkungen geben. 

Non-Fungible Tokens (NFTs) sind nur unter bestimmten Bedingungen in die Kryptovorschriften inkludiert. Sollten sie sich wie traditionelle Wertpapiere verhalten, können die MiFID-Finanzmarktregeln der EU zur Anwendung kommen. Die EU-Kommission will innerhalb von 18 Monaten prüfen, ob für NFTs eigenständige Vorschriften notwendig sind.  Ebenfalls noch in der Entwurfsphase befinden sich Standards und Nachhaltigkeitsregeln, wie Kryptofirmen die Auswirkungen ihrer Cyberdevisen auf die Umwelt und den Klimawandel offen legen sollen. 

MiCA: Exportschlager oder Innovationskiller? 

Innerhalb der europäischen Union soll die „Markets in Crypto-Assets“ (MiCA) getaufte Verordnung EU-weit einheitliche Regeln im Umgang mit digitalen Währungen und Krypto-Assets schaffen. Bisher sind die geltenden Rechte von Land zu Land unterschiedlich. MiCA soll für einen klaren Rechtsrahmen in der gesamten EU sorgen, der Innovationen in der Branche auf einer sicheren und soliden Grundlage ermöglicht.   

„Ich persönlich glaube, dass die MiCA einen ganzheitlichen, regulatorischen Ansatz hat, Kund:innen zu schützen und Märkte fair zu gestalten“, ist Peter Grosskopf, Mitgründer und CTO der Unstoppable Finance GmbH und Berlin Finance Initiative (BFI) Ambassador, überzeugt. „Immerhin entsteht nun auch ein Regelwerk, welches einen gemeinsamen europäischen Standard schafft. Es wird also einfacher für Dienstleister:innen, ihr Geschäft europaweit anzubieten. Geldwäsche und derlei Themen werden adressiert. Regulierung in den USA ist noch nicht standardisiert. Ich denke, dass es eine historische Chance ist, wenn EU und USA gemeinsame Standards schaffen. Wie schon die General Data Protection Regulation (GDPR) könnte die MiCA ein Exportschlager werden.“ 

Die Angst einiger Kritiker:innen, dass sich der regulatorische Rahmen negativ auf die Innovationskraft innerhalb der EU auswirke und damit europäische Länder wie Deutschland einen Nachteil im Web3 haben, teilt der Experte nur bedingt: „Das wird man sehen. Für zentralisiert angebotene Dienstleistungen schafft sie einen regulatorischen Rahmen, der Kund:innen mehr Schutz bietet. Wenn die operative Umsetzung zu viele Hürden bietet und die Behörden zu langsam arbeiten, wird es ein Nachteil für hiesige Anbieter:innen werden.“  

Ob Europa durch die Regulation einen Nachteil im kommenden Web3 haben wird, sei auch laut Achim Oelgarth, Co-Founder der Berlin Finance Initiative und CEO des Ostdeutschen Bankenverbands noch zu früh zu sagen. “Es gibt noch große Grauzonen, die durch MiCA geklärt werden sollten”, meint er. Generell seien Bürokratie und Regulierung keine attraktiven Merkmale für die Krypto-Branche, „die darauf ausgelegt ist, das Defizit der Zentralisierung zu beheben. Darüber hinaus sind steigende Kosten und Komplexität nie ein gutes Zeichen für Innovation. Die wirkliche Antwort darauf ist die Frage, wie man eine echte Innovation tatsächlich definiert.“  
Bestimmte regulatorische Anforderungen zu erfüllen, um die Akzeptanz von Krypto zu erhöhen, sei nach Meinung von Oelgarth notwendig. Dessen seien sich auch viele Menschen in der Branche bewusst. Um die Bedürfnisse beider Parteien zu befriedigen, plädiert Achim Oelgarth für einen besseren Dialog und Aufgeschlossenheit seitens der Regulierungsbehörde

Differenzierte Regulation von Anwendungen notwendig 

Bisher beziehe sich die MiCA-Verordnung ausschließlich auf zentralisierte Einheiten. Diese seien „einfach ausgedrückt Banken, die ihren Kund:innen Kryptos statt Fiat und Aktien zur Verfügung stellen“, meint Oelgarth. 

„Da es sich um Intermediäre handelt, ähneln sich die Risiken stark mit denen von Banken und anderen Finanzdienstleistern (z. B. Vertrauen in die ordnungsgemäße Erbringung der Dienstleistung)“, erläutert Peter Grosskopf. „In der dezentralen Welt von DeFi und Web3 sind die Risiken andere, da die Dienstleistung von Maschinen erbracht wird. Das größte Risiko hier sind konzeptionelle und Programmierfehler. Dezentrale Anwendungen sind von der MiCA nicht erfasst, und das ist auch gut so, zumal sich hier die Regulatorik noch den Marktumständen entsprechend entwickeln muss.“ 

Das solle auch eine Zeitlang so bleiben, betont Achim Oelgarth:

Man sollte nicht versuchen, sie unter eine einheitliche Regelung zu bringen, sondern stattdessen versuchen, die verschiedenen Anwendungsfälle zu verstehen. Um ein Beispiel zu geben: Schauen wir uns NFTs an. Wenn man gesetzlich festlegt, dass NFT ein Wertpapier ist und nichts anderes, gefährdet man eine ganze Welt von Anwendungen, in denen NFTs außerhalb des Investitionsrahmens verwendet werden, wie z. B. Zertifizierung oder digitale Kennungen. Grundsätzlich kann man eine Technologie nicht regulieren. Man muss deren Anwendung regulieren. Einige Szenarien erfordern eine strenge Regulierung, andere müssen flexibler sein.“

Regulation kann also durch eine differenzierte Handhabe zu einem wirklichen Enabler für Anwendungen von Zukunftstechnologien werden. 

Geplanter Start in März 

Die aktuelle Fassung der MiCA soll laut Patrick Hansen im März in Kraft treten. „Es wird sportlich“, schmunzelt Peter Grosskopf, „man muss die MiCA ja noch verabschieden. Mal sehen, wie lange hier noch verzögert wird.“ Der bürokratische Apparat müsse noch aufgebaut werden, verweist er auf eine Hürde. Außerdem würden die regionalen Aufsichten eine Funktion behalten.

„Hier wird entscheidend sein, dass gleiche Standards zur Anwendung kommen und nicht wieder regulatorische Arbitrage entsteht.“ 

Soweit ist man in den USA noch nicht: „Dass Amerika in diesem Jahr eine Krypto-Gesetzgebung verabschieden wird, ist zwar möglich, aber wahrscheinlicher ist, dass keine Gesetzgebung verabschiedet wird – insbesondere wenn vor Beginn des Wahlzyklus 2024 nichts unternommen wird“, meint Carly E. Howard. „Das wahrscheinlichere Szenario ist, dass, während andere Gerichtsbarkeiten (wie Europa) zusammenarbeiten, um den Bereich der digitalen Assets voranzubringen, Amerika in dieser Hinsicht weiterhin kämpfen wird.“ 

2023: Globale Kooperationen, Adaption & Infrastrukturverbesserungen 

Auf die Frage, was sie sonst noch für das Jahr 2023 erwartet, hat die US-Anwältin eine kurze Antwort parat:

„Erstens Interoperabilität [Anm.: Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken oder Organisationen], zweitens Ressourcen aus der realen Welt und drittens Benutzer:innenerfahrung“, meint sie. „Es würde auch nicht schaden, wenn wir weniger Akronyme hätten“, fügt sie schmunzelnd hinzu. 

Auch der Austausch auf der globalen Ebene soll in diesem Jahr intensiviert werden. Nach einer ersten Delegationsreise von Berlin Partner nach Miami soll eine weitere Exkursion an die Westküste stattfinden und sich vor allem mit Regulationen im Bereich Krypto und DeFi in Europa (speziell Deutschland) im Vergleich zu den USA befassen. Wie schon bei der vorherigen Reise möchte Carly E. Howard auch bei dieser mit dabei sein, denn: „Das Berliner Tech-Ökosystem pulsiert seit vielen Jahren und baut sich nach der Pandemie noch stärker wieder auf. Diese Dynamik möchte ich weiter ausbauen. Für diejenigen, die an einer Teilnahme an den nächsten Veranstaltungen interessiert sind, scheint es eine kluge Strategie zu sein, Unternehmen in Europa zu gründen, wo die Kosten niedriger sind und die Regulierung sicherer ist, und gleichzeitig die Unterstützung von begeisterten amerikanischen Investor:innen zu gewinnen, sei es in Miami, San Francisco oder anderswo.“ 

So könnten interessante Projekte entstehen, ist sich auch Achim Oelgarth sicher und glaubt, dass die Branche nach der „Enthüllung und dem Zusammenbruch verschiedener nicht so gut strukturierter und verwalteter Kryptoprojekte, bei denen die Protagonist:innen den Hype und den Mangel an Branchenkenntnissen und Sorgfalt ausnutzten, um ihre Taschen mit viel Geld zu füllen“ künftig mehr auf Adaption statt auf Spekulation setzt. 

Weg von der Spekulation, hin zur „Gebrauchswertphase“ lautet die Prognose auch seitens Patrick Hansen: Die „Krypto- und Blockchain-Technologien [sollen] nicht zum Wetten auf einen potenziellen finanziellen Aufwärtstrend verwendet werden, sondern als wirksame Infrastrukturverbesserungen, die den wirtschaftlichen und finanziellen Bedürfnissen von Millionen von Menschen weltweit dienen. Dies war vom ersten Tag an ein zentraler Bestandteil der Mission von Circle. Und wir haben in den letzten Monaten mehrere Partnerschaften und Angebote gestartet, die sich ganz speziell auf diesen Bereich konzentrieren. Wir haben eine Initiative mit MoneyGram, der Stellar Development Foundation und dem UNHCR angekündigt, um den vom Krieg betroffenen Ukrainer:innen sofortige und sichere humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Wir haben uns auch mit Checkout.com zusammengetan, um eine Stablecoin-basierte Zahlungsabwicklungsebene auf ihrer Plattform einzuführen, die es Händler:innen ermöglicht, Zahlungen an Wochenenden und Feiertagen abzuwickeln, was derzeit im Fiat-System nicht möglich ist.“ Anwendungsfälle und Vorteile aus der realen Welt im Jahr 2023 sieht er zunehmend in den Vordergrund treten. „Die Spekulations- und Investitionsseite von Krypto spielt definitiv eine Rolle, wird aber weiterhin vom makroökonomischen Umfeld dominiert, von dem ich nicht erwarte, dass es sich in diesem Jahr drastisch verbessern wird.“ 

Ein Ende des Krypto- und DeFi-Booms ist jedenfalls nicht in Sicht, im Gegenteil: „Der Trend, dass immer mehr Menschen das Heft selbst in die Hand nehmen, ihre Assets selbst verwahren (non-/self-custodial) und auf dezentralen Exchanges handeln, wird sich weiter fortsetzen“, fasst es Peter Grosskopf zusammen. „Dann müssen Nutzer:innen nicht mehr Dienstleister:innen/Intermediären vertrauen, sondern nur noch sich selbst und der Technologie. So wie es die Grundidee von Krypto war: your keys, your coins.“ 

 

 

Quellen: 

Stories & Use Cases

09/24
Web3 trifft auf KI auf der 9. Blockch[AI]n@HTW Conference

Q&A mit Prof. Dr.-Ing. Katarina Krüger, Izzat-Begum Rajan und Marleen Krüger.

© Midjourney
07/24
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03/24
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