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09/21

Berlin – Das Blockchain-Mekka Nummer Eins

Interview mit Sascha Dobratz, Shoshana Schnippenkoetter und Stefania Artusi

Oberbaumbrücke in Berlin mit dem Schriftzug "Blockchain in Berlin" darüber

Interview mit Sascha Dobratz, Shoshana Schnippenkoetter und Stefania Artusi

Das Jahr 2021 hat hinsichtlich Blockchain bereits einige Highlights gehabt, doch auf den Blockchain-Bereich und die Blockchain-Community in Berlin warten in den nächsten Monaten noch viele weitere spannende Dinge. Wer könnte uns hierzu besser Einblicke bieten als die zwei Projektmanager:innen Innovation im Bereich Blockchain bei Berlin Partner, Sascha Dobratz und Shoshana Schnippenkoetter, und Stefania Artusi, Association Managerin von BerChain? Sie erzählen uns von ihren momentanen Projekten, beantworten die Frage, warum Berlin in Deutschland der optimale Standort für Blockchain ist und dies auch in Zukunft sein wird, und sie verraten uns, welche Veranstaltungen und neue Geschichten die nächsten Monate bereithalten. Shoshana berichtet außerdem von den Plänen, Blockchain vermehrt in der Berliner Verwaltung einzubinden.

Hallo Sascha, hallo Stefania. Fangt am besten an, indem ihr euch zunächst kurz vorstellt. Was genau beinhalten eure Stellen bei Berlin Partner bzw. BerChain? Wie sieht eure Zusammenarbeit aus?

Sascha: Als Innovationmanager für Blockchain bei Berlin Partner besteht meine Tätigkeit darin, die unterschiedlichen Player miteinander zu verbinden, Netzwerke und Konsortien aufzubauen und Wissen von Forschungsinstituten und der Community an Unternehmen und Behörden zu transferieren. BerChain als der Community-Führer ist einer unserer engsten Partner, insbesondere in Bezug auf Veranstaltungen und Netzwerke.

Stefania: Ich bin Association Managerin bei BerChain e.V. Mit Sascha arbeite ich gerade zusammen an der Abstimmung der Ziele von BerChain und Berlin Partner, um zusammen Panels, Workshops und Webinare über Blockchain und innovative Technologie zu hosten, die Berliner Blockchain zu fördern und ein Ökosystem dafür ins Leben zu rufen. Mit Berlin Partner befinden wir uns in einem kontinuierlichen Wissensaustausch, der unsere gegenseitigen Initiativen unterstützt; mit BerChain haben wir an mehreren ihrer Workshops über „Blockchain für die öffentliche Verwaltung“ teilgenommen.

Hallo Shoshana, wie ist denn der Status Quo was die Einbindung von Blockchain in der Berliner Verwaltung betrifft? Welche auf Blockchain basierenden Ansätze sind bereits in der Umsetzung oder geplant?

Shoshana: Mit Blick auf die noch sehr junge Technologie hat die Berliner Verwaltung bereits sehr früh das Potenzial der Blockchain für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung erkannt. Für die Umsetzung einer Blockchain-Anwendung im öffentlichen Sektor benötigt es einen intensiven Dialog zwischen sehr unterschiedlichen Welten. Staatssekretär Rickerts (Senatsverwaltung für Wirtschaft Energie und Betriebe) persönlich hat an einem der ersten Workshops von Berlin Partner teilgenommen. Bereits 2019 haben dort Vertreter:innen aus Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Blockchain-Community Blockchain-Use Cases für die Berliner Verwaltung identifiziert. Der Grundstein für den nötigen Austausch wurde damit gelegt. Gemeinsam mit unseren Partnern, wie Berchain und City Lab, folgten weitere Events. Dort wurden potenzielle Anwendungsfälle konkretisiert, Herausforderungen diskutiert und Lösungsansätze mit Verwaltung und Blockchain-Community erarbeitet.

Und was hat sich daraus für die Stadt Berlin ergeben?

Shoshana: Heute ist das Land und die Stadt Berlin in den zentralen politischen Gremien, wie dem Blockchain-Koordinierungsprojekt des It-Planungsrates, vertreten. Berlin Partner und die Senatsverwaltung für Wirtschaft lassen dort die Berliner Perspektiven miteinfließen. Das landeseigene IT-Dienstleistungszentrum ist seit 2020 Mitglied der govdigital. Das ist ein großer Meilenstein. Denn die Mitglieder der Genossenschaft betreiben die Knoten einer Blockchain für Anwendungen in der Verwaltung. Damit ist die nötige Infrastruktur bereits gegeben.

Von 52 Projekten in Bund und Ländern befinden sich deutschlandweit derzeit 31 in der Planungsphase.

Quelle: Blockchain in der öffentlichen Verwaltung | BearingPoint Deutschland

© Unsplash

Berlin wird zunehmend zur deutschen Blockchain-Hochburg. Was macht die deutsche Hauptstadt zum geeigneten Standort für Blockchain-Entwicklungen?

Stefania: Zunächst denke ich, dass Berlin auf seinen aufständischen, freiheitsliebenden Wurzeln aufbaut, was schon immer den besonderen Charakter dieser Stadt ausgemacht hat und perfekt zu den revolutionären Idealen hinter Blockchain passt. Dies hat auch dazu beigetragen, ein der Zusammenarbeit gegenüber sehr offenes und weniger zu Spekulationen neigendes vielfältiges Ökosystem aufzubauen, das diese Community zum Blühen bringt und aktiv macht. Berlin lockt Tech-Talente an, was es für Unternehmen wiederum einfacher macht, hervorragende Mitarbeiter:innen einzustellen. Und nicht zuletzt bietet Berlin eine großartige etablierte Start-up-Infrastruktur mit Zugang zu Investor:innen, Acceleratoren und Co-working Spaces, was die Gründung und Finanzierung eines Unternehmens in Berlin definitiv vereinfacht.

Sascha: Berlin hat eine der größten Blockchain- und Ethereum-Communities weltweit und ein unvergleichbar lebendiges Ökosystem. Deshalb konzentriert sich in Berlin auch das Wissen und die Talente und dadurch auch die StartUps und viele wichtige Akteur:innen des Blockchain-Ökosystems.

 

Kommt die Blockchain im Bürgerservice bereits zum Einsatz? Wie profitieren Berlins Bürger:innen schon heute vom Einsatz von Blockchain?

Shoshana: Die Blockchain hat großen Potenzial, Verwaltungs-Angebote zu digitalisieren, zu vereinfachen und für die Bürger:innen zu beschleunigen. Vor allem ermöglicht die Blockchain, dass die Datensouverenität bei den Bürger:innen bleibt und ihre Daten fälschungssicher, transparent und weniger anfällig für Cyber-Angriffe sind.

In der Praxisanwendung reichen Beispiele von der KfZ-Zulassung hin zu Asylprozessen, die durch die Blockchain transparent und manipulationssicher gemacht werden. Berlin gehört zu einem der ersten Länder, die ein Pilot-Projekt in die Praxis umsetzen. Die digitale Ausstellung von Schulzeugnissen befindet sich bereits in der Testphase in der Hauptstadt. Unterstützt durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft und der Senatsverwaltung für Bildung, der Bundesdruckerei und dem IT-Dienstleistungszentrum sollen 2022 bereits die ersten digitalen Schulzeugnisse als PDF mit Hilfe der Blockchain-Lösung ausgestellt werden. Bislang werden Zeugnisse ausschließlich in Papierform ausgehändigt. Jeder der sich mal beworben hat weiß wie aufwändig es ist, diese beglaubigen zulassen, einzuscannen und zu verschicken. Der Verlust ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Mit der Blockchain-Technologie sind Manipulationen ausgeschlossen und die Echtheit des Dokuments ist nachvollziehbar.

In Berlin gibt es bereits Überlegungen weitere Angebote, wie beispielsweise Schülerausweise oder Schülertickets mit Hilfe der Blockchain digital auszustellen. Nun gilt es Praxiserfahrungen zu sammeln, um die Technologie weiter auszureifen und Lösungen langfristig in die öffentlichen Behörden einzubinden.

 

Gibt es denn neben den vielen Gelegenheiten für Blockhain in Berlin auch einige Schwierigkeiten, die bewältigt werden müssen? Wo seht ihr solche Schwierigkeiten, und worin bestehen die Chancen und Gelegenheiten?

Sascha: Für Berlin besteht die Schwierigkeit darin, das Ökosystem zu erhalten und auszubauen.
Der entscheidende Faktor besteht jedoch in den Rechtsvorschriften gerade hinsichtlich Regulatorik und Steuern. Viele Länder bieten Steuererleichterungen für Start-ups wie zum Beispiel in Estland. Andere fördern gezielt Blockchain und Kryptowährungen wie zum Beispiel Malta oder die Schweiz. Berlin beweist seit Jahren wie man dieses Start-up-Ökosystem gezielt fördert und konnte sich deshalb auch den Titel als Start-up-Hauptstadt Europas zurückholen. Nur aufgrund dieses lebendigen und vielfältigen Ökosystems kann Berlin im internationalen Vergleich punkten.

Stefania: Deutschland hat durch die Föderale Blockchain-Regierungsstrategie den Wunsch gezeigt, bei der digitalen Transformation Pionierarbeit zu leisten. Diese stimmt auf die Zukunft und die Annahme dieser Technologie in Deutschland ein. Berlin ist außerdem eine allgemein sozial engagierte Stadt, wodurch die lokale Tech-Szene die Möglichkeit bekommt, eine konkrete Rolle beim Lösen sozialer Schwierigkeiten und von Nachhaltigkeitsherausforderungen zu spielen; als ein positives Ergebnis veröffentlichen viele Blockchain-Projekte Pilotprojekte, um in der Stadt und darüber hinaus eine Änderung zu bewirken. In Bezug auf aktuelle Challenges muss noch viel Arbeit hinsichtlich der strengen Rechtsvorschriften für Krypto-Assets geleistet werden.

Ein weiterer wichtiger und häufig übersehener Konflikt in dieser Branche ist das Thema Gleichstellung. Deutschland hat zwar einen durchschnittlich höheren Anteil an Technologie-Arbeitnehmerinnen hat als andere europäische Länder (ausgenommen UK). Doch es gibt immer noch nicht genug Technologie-Arbeitnehmerinnen in den Bereichen Tiefentechnologie und Finanztechnologie.

► Decentralized Finance 

► Non-Fungible-Tokens

► Self Souvereign Identity

► Blockchain...

... im Energiewesen

... in der Kreativbranche

... in der Gaming-Industrie

© Unsplash

Was für Trends beobachtet ihr im Bereich von Blockchain-Technologie? Was wird das „next big thing“ sein?

Sascha: 2021 werden Decentralized Finance, Non-Fungible-Tokens (NFT) und Self Souvereign Identity aus technologischer Sicht die vielversprechendsten Anwendungsfälle sein. Wir werden aber schon bald weitere Anwendungsfälle sehen, in den Bereichen Internet of Things und Künstliche Intelligenz.

Stefania: Die Pandemie hat im Allgemeinen die Bewegung der digitalen Transformation in vielen Bereichen beschleunigt. Darüber haben die weltweite Gesundheitskrise und die Bedrohung durch die Klimaänderung zu realistischeren und pragmatischeren Ansätzen in Bezug auf Blockchain-Initiativen geführt. Viele Industriebereiche betrachten Blockchain heute als ein hilfreiches Tool zur Verbesserung ihrer Prozesse. Industriebereiche wie Lieferketten, Gesundheit, Energie, IoT oder KI deuten darauf hin, dass technologieübergreifende Blockchain-Lösungen im Wachstum begriffen sind. Wir haben ebenfalls eine Abnahme der Verwendung von Bargeld festgestellt, was auf eine beschleunigte Zunahme der CBDC-Projekte, der Projekte für digitale Zentralbankwährungen, hindeuten könnte. Auf der anderen Seite werden die dezentralisierten Finanzmärkte, die so genannten DeFi, weiterhin wachsen, sich weiterhin in Richtung der ersten Schritte des Blockchain bewegen und das Potential eines wichtigen Teiles der zukünftigen Weltwirtschaft zeigen. Verschiedene DeFi-Lösungen wie stabile Tokens, dezentralisierter Währungsumtausch und dezentralisierte Kreditvergabe stellen neue Gelegenheiten für Einzelhandelsinvestoren und die allgemeine Öffentlichkeit dar. Ich denke aber, dass wir, nachdem Web3 einmal von der breiten Masse angenommen worden ist, eine konkrete Auswirkung auf die dezentralisierten Finanzmärkte haben werden.

Blockchain hat seinen Weg in viele verschiedene Bereiche gefunden und wird zunehmend im selben Atemzug mit IoT oder künstlicher Intelligenz genannt. Was wird eurer Meinung nach das restliche Jahr 2021 bringen, in welchen weiteren Bereichen wird sich Blockchain ebenfalls entfalten?

Sascha: Blockchain im Energiewesen wird sicher in naher Zukunft spannende Potentiale aufzeigen. Aber auch die Kreativbranche und die Gaming-Industrie werden durch die neuen Möglichkeiten, die NFTs bieten, einen Wandel erleben. In der öffentlichen Verwaltung und bei Unternehmen wird Self Souvereign Identity gleichermaßen für Aufsehen sorgen, da Identitätsmanagement und Datensicherheit in vielen verschiedenen Branchen und Industrien ein Thema sind.

Stefania: Wie Sascha bereits sagte, werden wir eine zunehmende Konvergenz technologieübergreifender Lösungen und neuer Geschäftsmodelle feststellen, die durch die Schnittstellen zwischen Blockchain und IoT, KI möglich werden. Aufgrund der Natur der Blockchain-Technologie werden wir als vielversprechende Ergebnisse dieser Konvergenz wahrscheinlich auch Datenmanagement und Geschäftsautomatisierung hinzuzählen können.

BerChain und Berlin Partner haben Ende 2020 bereits gemeinsam die Blockchain-in-Use Conference als eine Hybrid-Veranstaltung durchgeführt. Wie sehen die restlichen Pläne für dieses Jahr aus? Auf welche Veranstaltungen kann sich die Blockchain-Community freuen?

Sascha: Die Blockchain-in-Use Conference wird 2021 auf alle Fälle größer und internationaler werden. Wir haben aber auch noch Veranstaltungen zu DeFi, NFT und SSI geplant. Die erste Veranstaltung war im Juni „Blockchain im Energiesektor“. Für genauere Informationen zu bevorstehenden Veranstaltungen empfehle ich die Websites von Berlin Partner und BerChain und natürlich unseren Newsletter!

Stefania: Sowohl BerChain als auch Berlin Partner freuen sich darauf, einen Dialog auf europäischer und internationaler Ebene zu eröffnen und damit Einrichtungen und Anwender:innen zu unterstützen, eine hochkarätige und gemeinsame Diskussion im Hinblick auf eine wirkliche Auswirkung auf die Anwendung und Annahme dieser Technologie zu führen. Beiden Seiten wollen die Zukunft von Blockchain zusammen mit KI und anderer moderner Technologie, mit auf Nachhaltigkeit konzentrierten Industriebereichen und europäischen Zusammenarbeitsverbänden weiter erforschen. Bleibt also dran für spannende Veranstaltungen zu diesen neuen Synergien und vielem mehr!

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