NFTs mit digitaler Kunst verknüpfen war eines der Versprechen des Kryptobooms der vergangenen Jahre. Videos wie „Crossroads“ von Digitalkünstler Beeple, der digitale Timer „Clock“ von Murat Pak oder das Gif „A Coin for the Ferryman“ von xcopy wurden hoch gehandelt und zählen zu den teuersten Kunst-NFTs. Die beliebtesten Währungen: Ethereum, Tezos, Solana. Wie steht es aktuell um den Kunstmarkt und NFTs? Hat NFT-Kunst eine Zukunft? Das fragen sich nicht nur Marktbeobachter:innen und Web3-Enthusiast:innen nach Absturz der Kryptowährungen im Winter 2022/2023. Ursprünglich hochgehandelte Sammlungen haben mit Wertverlust zu kämpfen. Lässt man den Hype mal beiseite und interessiert sich für die tatsächlichen Entwicklungen, die digitale Kunst nimmt, dann kommt man am „3. Art + Tech Report – Digital Art Coll3cting“ nicht vorbei. Dieser wurde von den vier Berlinerinnen Kerstin Gold (Strategieberaterin), Anne Schwanz (Galeristin), Johanna Neuschaeffner (Galeristin) sowie Kristina Leipold (Geschäftsführerin LAS Art Foundation) herausgegeben. Sie haben im Sommer 2023 rund 300 internationale Kunstsammler:innen und NFT-Kunstsammler:innen befragt und bieten einen guten Einblick in deren persönlichen Erfahrungen und Vorlieben.
Bereits der 1. Art + Tech Report (veröffentlicht 2021) entstand aus dem Anspruch heraus, den eher traditionellen und wenig tech-affinen Kunstmarkt zu öffnen. Er griff die Dynamik des allgemeinen Digitalisierungsschubs und der vermehrten Kunst-Online-Käufe aufgrund der Pandemie auf. Da es dazu wenige Daten und quantitative Erhebungen gibt, fingen die Herausgeberinnenselbst an, eine empirische Datengrundlage zu schaffen, indem sie über 380 internationale Kunstsammler:innen anonym befragten. Mit dem 2. Art + Tech Report (2022) wurde das Kaufverhalten und die Sammlermotivation von Kunst-NFT-Sammelnden untersucht, um wichtige Marktchancen zu identifizieren und Verkäufer:innen Empfehlungen im digitalen Kunstmarkt zu geben. Der 3. Art + Tech Report weitaus nischiger angelegt. Er stellt die Frage, wie mit Blockchain-Technologie die Marktmechanismen im Kunstmarkt beeinflusst und wie Sammler:innen und Künstler:innen Digitaler Kunst agieren. Was charakterisiert diese und wie arbeiten sie? Welche Aspekte in der Kunst sind ihnen wichtig? So ist eine qualitative Befragung entstanden, die nicht repräsentativ ist, aber Trends offenlegt und einen Wegweiser in einem sich schnell wandelnden Kunstmarkt darstellt.
Viele Glaubenssätze, was in der Kunstbranche funktioniert oder nicht, seien von der Verkäufer:innenseite geprägt. Aber die Entwicklungen mache vor dem Kunstmarkt nicht Halt.
Kunst-NFTs sind gekommen, um zu bleiben – das zeigt auch das Stimmungsbild des Reports. Für 83 Prozent der Befragten steht Digitale Kunst gleichwertig neben traditionellen Kunstformen wie Skulpturen oder Malerei. Dank der Blockchain-Technologie, die es ermöglicht, Bilddateien so zu sichern, dass sie nicht vervielfältigt und das Eigentum zurückverfolgt werden, kann die Kunst eindeutig zugeordnet und besessen werden. Plötzlich gibt es eine technologische Infrastruktur für diese Kunstform und die Möglichkeit „etwas Digitales“ zu besitzen. Videos und Grafiken wurden bisher verschickt und wiederverwertet, ohne dass die Datei einem konkreten Besitztum zugeordnet werden konnte. Dabei ist Besitztum die eigentliche Grundmotivation für Sammler:innen auf dem Kunstmarkt.
Wer sind die Sammler:innen?
Kerstin Gold sieht nach der Auswertung und den Gesprächen rund um den Art+Tech-Report mehrere Gruppen – „und nicht nur unter Krypto-Nerds“, wie sie betont. Es gibt die technischen Natives, meist jünger und oft aus der finanzstarken Startup-Szene. Und ebenso die Sammler:innen, die sich unabhängig von einer Altersgruppe für zeitgenössische Kunst interessieren und gerne Kunst online kaufen. Eine bisher wenig in der Kunstbranche vertretene Gruppe sind Krypto-affine Menschen, die mit dem NFT-Boom zur Digitalen Kunst gelangen. Sie haben im Vorfeld beispielsweise mit Collectibles gehandelt und beginnen sich neben der Krypto-Kunst nun auch für physische Objekte zu begeistern. Was sie alle eint: die Begeisterung für Kunst. Malte Rauch berät neben seiner Arbeit bei Fired Up die glitch Gallery, ein von Collab+Currency inkubiertes Projekt, sowie weitere Unternehmen und Fonds im Bereich Krypto und digitale Kunst.
Laut Befragung des Art+Tech-Reports stehen Generative Kunst (55 Prozent), Blockchain-basierte Kunst (48 Prozent), digitale Gemälde (32 Prozent) und KI-Kunst (30 Prozent) im besonderen Interesse von Sammler:innen. Die Mehrheit der Sammler:innen gibt dafür bis zu 1.000 Dollar aus – ein relativ niedrige Investitionssumme in der Kunstbranche. Und nicht nur finanziell ist die Hemmschwelle niedriger: Auf Plattformen in mit Künstler:innen in Kontakt zu treten oder sich umzusehen ist deutlich unaufwendiger, als an einem Samstagnachmittag an einer Galerie im Hinterhof zu klingeln. Interessenten können unbeobachtet erste Gehversuche auf dem digitalen Kunstmarkt starten.
Ist der NFT-Markt noch stark männlich geprägt, zeigt der Report außerdem, dass besonders im letzten Jahr der Frauenanteil unter den Sammler:innen zunahm. Auch scheinen sie sich weniger vom Krypto-Crash beeinflussen zu lassen und sind im traditionellen Kunstmarkt gleichzeitig stärker vertreten. Insgesamt gab aber auch die Mehrheit der Befragten an, dass sie nach dem Absturz des Krypto-Markts weiterhin in ihre Sammlungen investieren und etwa die Hälfte sieht den Wert der Sammlungen dadurch nicht beeinflusst. Sagte man krypto-affinen Menschen zu Beginn des NFT-Hypes eher nach, sich mit Kunstbesitz in ihrem Wallet zufrieden zu geben, so entsteht vermehrt der Wunsch, digitale Kunst im Analogen zu zeigen. Auf die Frage, wie sie generell ihre Digitale Kunst gerne zeigen oder ausstellen, gaben zwar 79 Prozent an, diese im Smartphone zu zeigen, aber nur 32 Prozent in der Wallet und dagegen mehr als jede:r Zweite in einem digitalen Rahmen zuhause, ausstellt auf einem Screen oder als physische Reproduktion in Print ausstellen zu wollen – eine „Phygital Art Experience“.
Neue Wege für Kunstschaffende
Auch für Künstler:innen bedeutet Krypto-Kunst, dass sie wesentlich autonomer agieren können. Im Web3 wird ein geringeres Produktionsbudget benötigt. Durch eine erleichterte Selbstvermartung bedarf es keine Intermediäre für den Kontakt zu Sammler:innen mehr. Mit digitalen Plattformen können sich ebenso neue Player auf den Markt etablieren. Unter den Top 3 der Plattformen, die Digitale Kunst anbieten, ist neben OpenSea und objkt auch fx(hash) – ein in Berlin gegründeter Online-Marktplatz. Als offene Plattform zielt fx(hash) darauf ab, die Welt der generativen Kunst zu revolutionieren, indem sie eine sichere, intuitive Plattform für Künstler:innen, Sammler:innen und Kurator:innen bereitstellt und die Multi-Blockchain-Technologie nutzt, um sicherzustellen, dass Künsler:innen blockchainagnostisch mit erhöhter Reichtweite weltweit ihre digitalen Kreationen entfalten und teilen können. Paul Schmidt, fx(hash) COO erzählt: „Unser Ethos bei der Gründung war: Open for everyone, no curation. Das behalten wir bei, aber mittlerweile ermöglichen wir es Galerien, DAOs und Einzelpersonen als Kurator:innen unsere Plattform zu benutzen und direkt mit Künstler:innen zusammenzuarbeiten. Auch legen wir Wert auf globale Parität, arbeiten so zum Beispiel mit Volume DAO aus Taiwan zusammen.“ fx(hash) setzt auf die Blockchain-Währung Tez. „Generative Art ist ein globales Art-Phänomen, daher müssen wir als Plattform auf Blockchains bauen, bei der global partizipiert werden kann. Es braucht also eine günstige und schnelle Blockchain ohne teure Gasfees.“, so Schmidt.
Die auf fx(hash) vertretene Künstlerin Volatile Moods gibt in einem Artikel nach ihrer Präsenz dort gefragt, folgendes Statement: „Es ist wichtig, mehr Informationen über ein bestimmtes Werk zu haben, um es richtig bewerten zu können. Die Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Erkennung solcher Werke. Was die visuelle Wirkung angeht, sehe ich kein Problem mit Arbeiten, die einen einfachen oder schlecht geschriebenen Code enthalten, solange die Ergebnisse originell und ästhetisch interessant sind. Letzten Endes ist Code nur ein Medium.“ Und für Jason Baily, Gründer von ClubNFT sowie Herausgeber des Blogs Artnome.com, macht es die Kunst diverser: “Wenn man jedem erlaubt, seine Drops zu lancieren, wann er will und so oft er will, ohne Kuratierung oder Zensur, dann entsteht eine faszinierende und unberechenbare Kunst.“
Ein Künstler aus Berlin, der sich früh mit generativer Ästhetik auseinandergesetzt hat, ist Marcel Schwittlick. Er beschreibt seine Herangehensweise als performativ. In einem Studio in Schöneweide arbeitet er an Installationen, Luminogrammen oder Plotterzeichnungen. Die Software für seine Werke schreibt er selbst und entwirft die Hardware. Er sagt: „Ich arbeite mit Galerien zusammen, aber nicht fest. Ich mag es unabhängig und selbstständig zu sein. Die Exklusivität vermeide ich.“ Für ihn sind NFTs das Mittel zum Zweck, Besitzurkunden für Kunstwerke. Er sieht sich nicht einer Masse von Sammler:innen gegenüber, sondern ist meist mit einigen wenigen Menschen in Kontakt, die teure Arbeiten sammeln. Diese Community gab es schon, bevor NFT eine Thematik wurde. Aber auch er sieht die Einstiegshürde durch NFTs als niedriger an. Vorher habe es keine Möglichkeit gegeben, Geld mit dieser Art von Kunst zu verdienen, sondern galt als reine Liebhabersache. Die administrative Arbeit, die für Kommunikation und Organisation anfällt, gehört für ihn dazu. Der Krypto-Absturz sei für seine Arbeit wenig relevant.
Auch er sieht es so, dass für eine bestimmte Art von Kunst ein Markt entsteht, die vorher nicht kapitalisiert werden konnte. Zu sehen sind seine Arbeiten demnächst in einer Gruppenausstellung der DAM-Galerie in Berlin-Charlottenburg oder auf der Art Dubai.
Galerien und Communities: Wer entscheidet über den Markt?
65 Prozent der Befragten des Art+Tech-Report gaben an, dass ihnen der direkte Kontakt mit Kunstschaffenden als einer der größten Vorteile der NFT-Kunst erscheint, gefolgt von 38 Prozent, die sich durch den Besitz als Mitglieder einer exklusiven Community schätzen. Die Communities beeinflussen mehr als die Hälfte der Kaufentscheidungen von Sammler:innen und sind nach Social Media aber vor NFT-Plattformen die entscheidende Quelle für Informationen. Über Twitter oder Discord sind sie ganz nah dran und es entsteht in einer Beziehung – ein fast geschlossenes System, in dem Sammler:innen und Künstler:innen in einem digitalen Raum miteinander agieren. Hier werden Karrieren gestartet, die Nachfrage vorangetrieben und auf Nachfolgeprojekte aufmerksam gemacht. Communities werden neben den Künstler:innen, Sammler:innen und Galerien quasi zum vierten Player im Markt. Umgekehrt müssen Künstler:innen stark in diese Communities und die Interaktion mit ihnen investieren, ihnen exklusive Informationen bieten oder im echten Leben über ein exklusives Event Kontakt suchen.
Dennoch sind Galerien kein aussterbendes Modell. So ganz ohne sähen sich Künstler:in oftmals einem großen administrativen Apparat gegenüber und ohne Kuration als Sammler:in einem unreguliertem Überangebot an digitalen Bildern. Das kann auch Überforderung erzeugen: In welche Kunst soll investiert werden? Wer sind die Künstler:innen dahinter? Welche Plattformen sind sicher und wo liegen die Risiken? Der Bedarf an Vorauswahl, Selektion, Kuration und einer Führung ist weiter vorhanden. Fast die Hälfte der Befragten des Art+Tech Reports gibt an, dass mehr Kuration und Kontextualisierung sie zum Kauf von digitaler Kunst motivieren könne. 40 Prozent wünschen sich die Aufnahme in Museums-Kollektionen.
Wie geht es nach dem Hype weiter?
Wie sieht also der Kunstmarkt nach dem Hype aus und was kann man tun, wenn man einsteigen möchte? Die Umfrage des Art+Tech Report zeigt: 71 Prozent geben an, dass sie weiter und verstärkt in NFT-Kunst investieren möchten, und das sogar im größeren Umfang als im vergangenen Jahr. Der Enthusiasmus unter denen, die bereits dort unterwegs sind, ist ungebrochen. Hier wächst eine treue Sammler:innen-Community heran, die gemeinsam mit den Künstler:innen die Möglichkeit hat, jetzt dieses Ökosystem rund um NFT-Kunst zu formen. Das Konzept des Sammelns verschiebt sich. „NFTs im allgemeinen und Digitale Kunst im Speziellen werden aus ganz verschiedenen Motivationen heraus gesammelt. Bei der Digitalen Kunst steht eindeutig das künstlerische Konzept im Mittelpunkt, die „Utility“ ist vor allem die Kunst selber.“, sagt Kerstin Gold. Blockchain wird hier zum neuen kreativen Medium, das neue Kunstformen wie generative Kunst oder KI-Kunst erst den Weg ebnet. Die Autor:innen des Art + Tech Report prophezeien dem Kunstmarkt durch die Web3-Technologie mehr Transparenz, Zugänglichkeit und Diversität. Malte Rauch sagt: „Ich denke, man sollte hier zwischen nicht-fungiblen Token (NFTs) als Technologie unterscheiden, die in vielen Applikationen eingesetzt werden könnten, und dem konkreten Anwendungsfall der Kunst. Ob NFTs auf breiter Front zum Einsatz kommen, wie viele es 2021 behauptet haben, ist meines Erachtens noch völlig offen und hängt vor allem davon ab, inwiefern diese Form der Tokenisierung in Apps Mehrwert für Konsument:innen bietet. Beim konkreten Anwendungsfall der Kunst hat sich bereits erwiesen, dass es Traktion und nachhaltiges Wachstum gibt. Die Marktkapitalisierung beläuft sich auf 10 Milliarden, und die Technologie hat diverse Vorteile gegenüber dem traditionellen Kunstmarkt, von Transparenz und Fälschungssicherheit bis hin zu einem verbesserten Liquiditätsprofil.“
Wer einsteigen möchte, für den hat Kerstin Gold folgende Tipps: Sich auf den relevanten Plattformen umsehen, und Künstler und Werke entdecken, die einen persönlich interessieren. Erste Kontakte mit Künstler:innen lassen sich dann direkt über Twitter und Discord knüpfen. Man sollte die Social-Media-Strukturen nutzen und dort neben Künstler:innen auch anderen Sammler:innen folgen, die auf diese Weise oftmals Einblicke in ihre Sammlungen geben oder schon früh auf spannende Projekte aufmerksam machen. Newsletter haben sich als guter Inspirationsquelle etabliert, empfehlenswert sei Fanny Lakoubay aus New York oder beispielsweise der Schweizer Georg Bak. Wer sich auf diesen Kanälen bewegt, wird sich einen eigenen Geschmack und eine eigene Meinung herausbilden können. Malte Rauch sagt: "Persönlich interessiere ich mich vor allem für generative Kunst, KI-Kunst sowie für Künstler, die die Blockchain als eigenes Medium erkunden. Der deutsche Künstler Kim Asendorf zählt für mich zu den besten generativen Künstlern. Er entwickelt dynamische Systeme, in denen das Wechselspiel von Ordnung und Chaos die Waage hält. Und das anonyme Studio Mathcastles Künstler:innenUnternehmer:innnen, Sammler:innen und Investor:innen. Die beste Art und Weise, sich über Kunst auf dem Laufenden zu halten, ist definitiv X (ehemals Twitter) sowie spezielle Seiten wie RightClickSave und Outland Art. Das Besondere an dieser noch jungen Szene ist, dass viele der besten Künstler und interessantesten Unternehmer sehr nahbar sind und man mit vielen in einen direkten Austausch treten.“
Nicht zuletzt spielt – wie beim Online-Shopping – Sicherheit ein großes Thema. Es braucht hier noch elaboriertere Qualitätsanker oder Vor-Kuration. Aber die Einstiegshürde von Kunst-NFTs ist gegenüber dem traditionellen Kunstmarkt geringer und der Markt transparenter.
QUELLEN:
Gespräche:
- Kerstin Gold, Strategieberaterin und Autorin des Art+Tech Reports, https://www.arttechreport.com/
- Paul Schmidt, COO, fx(hash): https://www.fxhash.xyz/
- Marcel Schwittlick, Künstler: https://schwittlick.net/
- Malte Rauch, Fired Up GmbH, Sammler und Kurator, https://www.linkedin.com/in/malte-rauch-260b2b22a/
Artikel:
- Art+Tech Report 2023: https://www.arttechreport.com/
- „The Emergent Artists of fx(hash): https://www.rightclicksave.com/article/the-emergent-artists-of-fx-hash-interview-generative-art
- „Kunst-NFT: Wie es funktioniert und was es für die Kreativbranche bedeutet“: https://99designs.de/blog/news-trends/nft-kunst/