NFTs (Non-Fungible Tokens) bringen frischen Wind in den Kunstbetrieb und kreative Branchen wie die Gaming-, Musik- oder Modeindustrie. In Berlin arbeiten zahlreiche Start-ups an innovativen Projekten. Auch in den örtlichen Kunstgalerien gewinnen NFTs zunehmend an Bedeutung.
Seit einiger Zeit gehören NFTs zu den heißesten Themen, wenn es um Anwendungsmöglichkeiten für die Blockchain-Technologie geht. Kein Wunder, denn NFTs ermöglichen innovative Geschäftsmodelle in den verschiedensten Anwendungsbereichen. NFT-Marktplätze wie OpenSea oder Rarible schießen wie Pilze aus dem Boden und verzeichnen gewaltige Umsätze. Gehandelt wird dort so ziemlich alles, was sich in NFT-Form bringen lässt: Kunst, Spielgegenstände, Videoclips, virtuelle Grundstücke. Auch in der deutschen Blockchain-Hochburg Berlin setzt man sich im Rahmen zahlreicher Projekte intensiv mit dem Trend auseinander.
Dabei wird schnell deutlich, dass NFTs ihr revolutionäres Potenzial bislang vor allem in kreativen Branchen entfalten. Während Modelabel wie Gucci oder Hermès ihre hochpreisigen Produkte inzwischen auch erfolgreich als NFTs vermarkten und auf der Fashion Week vermehrt mit digitaler Mode experimentiert wird, erhoffen sich Künstler:innen und Musiker:innen von NFTs vor allem eine höhere Gewinnbeteiligung am Verkauf ihrer Werke.
Digitaler Marktplatz für Kunst und Musik
Nicht nur in der Kreativwirtschaft stehen NFTs immer öfter im Mittelpunkt innovativer Konzepte. Die mit diversen Gründungs- und Innovationspreisen ausgezeichnete Berliner Handelsplattform license.rocks widmet sich dem Thema Software License Management und will mit Hilfe sogenannter License Tokens die Lizensierung digitaler Produkte revolutionieren.
Vor dem Hintergrund dieses Erfolgs entstand auch die Idee für Collective.Berlin. Unter dem Motto be part of digital art arbeiten die Köpfe hinter licence.rocks derzeit an einem NFT-Marktplatz, auf dem „streng limitierte musikalische Kunststücke“ als NFTs erhältlich sein werden. Damit sollen die Urheberrechte von Künstler:innen und Musiker:innen gestärkt, vor allem aber die Berliner Kreativszene unterstützt werden. Darüber hinaus bietet Collective.Berlin künftig eine dezentrale Informations-Plattform, die, ganz im Interesse der potenziellen Käufer:innen und Verkäufer:innen, über NFTs und Blockchain aufklärt – als Collective eben. Ein erster Softlaunch ist für Anfang Oktober geplant.
Viele Impulse aus Berlin
Auch andere Berliner Start-ups verfolgen mit ihren NFT-Projekten ambitionierte Pläne: Fanzone, wurde dieses Jahr als Spin-off von Porsche Digital gegründet. Das neueste Mitglied der Berliner Blockchain-Community BerChain konnte für die Europameisterschaft (EM) den Deutschen Fußball-Bund e. V. (DFB) als Kooperationspartner gewinnen und ermöglicht das Kaufen, Sammeln und Tauschen digitaler Fußballsammelbilder in NFT-Form. Das Konzept erinnert stark an NBA Top Shot von Dapper Labs, einen der derzeit umsatzstärksten NFT-Marktplätze. Nun bleibt abzuwarten, ob auch Kimmich, Kroos & Co. demnächst für sechsstellige Summen den/die NFT-Besitzer/Besitzerin wechseln.
Mehr Unabhängigkeit für Künstler:innen
Auf dem Kunstmarkt gelten NFTs aus verschiedenen Gründen als zukunftsträchtiges Vermarktungsmodell. Der große Vorteil für Künstler:innen: Sie haben die Vermarktung und den Verkauf ihrer Werke selbst in der Hand und sind weniger auf die Vermittlungsarbeit von Kunsthändler:innen oder Auktionshäusern angewiesen. Das kann zu einer signifikanten Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation beitragen.
Dass digitale NFT-Kunstwerke immer wieder für beeindruckende Summen die Besitzer:innen wechseln, lässt sich seit Längerem beobachten. So erzielte das Werk Everydays: The First 5000 Days von Mike Winkelmann alias Beeple im britischen Auktionshaus Christie’s vergangenen März unfassbare 69 Million US-Dollar.
Doch auch im deutschsprachigen Raum ist die Anwendung von NFTs in der Kunstszene längt angekommen. So fand zwischen März und April diesen Jahres in der Bark Berlin Gallery eine der ersten reinen NFT-Ausstellungen in Deutschland statt, auf der ausschließlich digitale Kunstwerke zu sehen waren. Die Malerin Charlie Stein hat dort zwei ihrer Arbeiten als NFT angeboten und verkauft.
„Das Revolutionäre an NFTs für Künstler:innen besteht in der Möglichkeit zur Umgehung des klassischen Mittlers wie Galerie oder Dealer“, so Charlie Stein.
„Zusätzlich wird bei jedem Weiterverkauf ein Prozentsatz an den Urheber des NFTs zurückgezahlt. Das unterscheidet sich von gängigen Auktionsmodellen alteingesessener Institutionen.“
NFTs als Weg aus dem Prekariat
Darüber hinaus unterstützt der Berliner Stephan van Kuyk mit seiner Plattform Artist Stop Being Poor andere Künstler:innen dabei, mit Hilfe von NFTs mehr von ihrer Arbeit zu profitieren. Auch er sieht in NFTs eine Chance für Künstler:innen, die Vermarktung ihrer Werke selbst in die Hand zu nehmen:
„Ich glaube, die größte Stärke der NFT-Technologie ist die Freiheit, die sie Künstler:innen bei der Gestaltung ihrer Karriere gibt“, so van Kuyk.
„NFTs versetzen Künstler:innen in die Lage, sich ohne fremde Hilfe ihr eigenes Publikum aufzubauen. Nun können sie NFTs direkt an ihr Publikum verkaufen und vom Handel ihrer Arbeiten auf dem Sekundärmarkt weiter profitieren. So etwas war bis vor Kurzem unvorstellbar. Der Kunstmarkt wird sich durch diese Entwicklungen grundlegend zugunsten der Kunstschaffenden verändern.“
Es ist also kein Zufall, dass NFTs trotz ihrer zahlreichen Einsatzmöglichkeiten bislang besonders in der Kunstbranche auf fruchtbaren Boden stoßen. Doch auch für die Zusammenarbeit zwischen Künstler:innen und Galerien bieten NFTs interessante Perspektiven.
Spannende Synergien für den Kunstbetrieb
Charlie Stein: „Partnerschaftlicher Umgang rückt in den Vordergrund – zumindest bei der neuen Generation, die erkannt hat, dass ein Umbruch stattfindet. Ich habe für meine NFTs mit meinen Galerien Bark Berlin Gallery und Gallery Priska Pasquer zusammengearbeitet. Ein mögliches Modell und dann sinnvoll, wenn man Synergien nutzen möchte.“
Inzwischen sind NFTs so weit in den Mainstream vorgedrungen, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Charlie Stein sieht den großen Hype angesichts des Überangebots langsam zu Ende gehen.
„Zu Beginn des Phänomens gab es kurzzeitig mehr potentielle Käufer:innen als angebotene NFTs, was einen Hype ausgelöst hat. Der ist mittlerweile unter einer Flut von NFT-Kunst von Hobbyisten und Celebrities etwas erstickt worden. Dennoch gibt es spannende und intelligente NFT-Arbeiten, die sich selbst kritisch reflektieren, wie zum Beispiel von Simon Denny oder Rachel Rossin.“
Krypto-Gaming für die breite Masse
Neben dem klassischen Kunstbetrieb sind NFTs auch auf dem florierenden Gaming-Sektor ein großes Zukunftsthema. Inzwischen existieren unzählige Projekte auf NFT-Basis, die sich jedoch oft noch in sehr frühen Entwicklungsstadien befinden. Vor allem die hohen Transaktionskosten im Ethereum-Netzwerk, auf dem bislang fast alle NFT-Projekte basieren sowie das relativ komplizierte Handling von Krypto-Exchanges und -Wallets behindern den Weg auf den Mainstream-Markt. Die Optimierung der User Experience spielt daher für Entwickler:innen eine maßgebliche Rolle.
Genau das ist auch das Ziel von Spielworks: Das Berliner Start-up arbeitet daran, Blockchain-Gaming mit seinen Lösungen Wombat und Womplay nutzer:innenfreundlicher zu gestalten und so für höhere Akzeptanz auf dem Gaming-Markt zu sorgen.
Neben Spielworks haben sich auch andere Berliner Start-ups dem Thema NFT verschrieben. Tachelez hat vor Kurzem das Game Noodle Fighter Titans vorgestellt, in dem man Held:innen in NFT-Form erwerben und nach einer Art Pokémon-Prinzip gegeneinander kämpfen lassen kann.
Konzertbesuch per NFT-Ticket
Auch in der Veranstaltungsbranche offenbaren NFTs disruptives Potenzial, von dem sowohl Veranstalter:innen als auch Besucher:innen in vielfältiger Weise profitieren könnten. Das hängt vor allem mit den grundlegenden Eigenschaften von NFTs zusammen. Sie sind fälschungssicher, sie können nicht verloren gehen und Anbieter können beispielsweise Regeln für den Weiterverkauf definieren. Darüber hinaus könnten NFT-Tickets auch als Collectibles an Bedeutung gewinnen und bieten damit Monetarisierungspotenziale, die weit über den einmaligen Verkauf hinausgehen.